Ordnung ist das halbe Leben?

Rosina Bruckner

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Rosina Bruckner

Ordnung ist das halbe Leben

„Zieh dich ordentlich an!“, rief mir meine Mutter stets hinterher, wenn ich mal wieder – verführt von den ersten warmen Sonnenstrahlen im Frühjahr - ohne feste Winterjacke aus dem Haus sprintete. „Hast du in der Schule überhaupt was Ordentliches gegessen?“, war die kritische Standardfrage meiner Oma, bevor sie mir „Ordentliches“ auf den Tisch stellte. Beim Aufräumen meines Zimmers gaben schließlich beide auf. Es war zwecklos. Ordnung hatte damals einfach keinen Wert für mich.

Über die Jahre hat sich das wesentlich geändert. Ich habe mich selbst zur Ordnung erzogen. Mit der Zeit war ich es nämlich einfach leid, dauernd nach Dingen zu suchen, die ich irgendwo achtlos hingelegt oder verstaut hatte. Schon gar nicht war ich gewillt, mir etwas neu anzuschaffen, nur weil ich es nicht finden konnte. Ganz zu schweigen von den unzähligen Fäustlingen, Hauben und Regenschirmen, die verwaist in Bussen, Zügen oder Straßenbahnen zurückblieben. Auch das hatte etwas mit Ordnung, oder vielmehr fehlender Ordnung, sprich Chaos zu tun. Chaos in meinem Kopf, Chaos in meinem Tun. Mit zunehmender Ordnung in meinem Umfeld stellte sich auch immer mehr Ordnung in meinen Gedanken, meinem Handeln ein. Ich räumte also sprichwörtlich nicht nur zuerst meine Wohnung, sondern nach und nach mein ganzes Leben auf.

Heute stellt Ordnung für mich kein belastendes Thema mehr dar. Es ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Ich selbst schaue auf so etwas wie eine Grundordnung bei meinen eigenen Dingen, um mich wohlzufühlen und bin dadurch auch anderem „Ordnungsempfinden“ gegenüber sehr gelassen eingestellt. Wir alle haben eben ein ganz unterschiedliches Ordnungsbedürfnis, abhängig von Alter, Interessen und Lebensumständen.

Aufräumen hat so etwas wie einen Domino-Effekt. Indem wir uns eine ganz persönliche Ordnung in den eigenen vier Wänden schaffen, steigern wir automatisch unser Wohlbefinden. Wenn wir uns wohl fühlen, können wir uns gut nach einem stressigen Alltag entspannen. Je entspannter wir sind, desto leichter meistern wir Situationen, die sich als schwierig erweisen oder schaffen es sogar, darüber zu lachen. Das wiederum bringt Erleichterung ins Leben und wirkt sich positiv auf unsere Beziehungen aus. Und so weiter, und so weiter.

Über das Sprichwort „Ordnung ist das halbe Leben“ habe ich damals nur gelacht. Heute weiß ich, dass es genaugenommen zu kurz greift. Ordnung ist das ganze Leben. 😊

Mag.a Rosina Bruckner

www.rosina-bruckner.com

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